Sammlung von Goldschmuck, Rechtfertigung

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Unser Gold gehört dem Vaterland!


Ansprache
von D. Dr. Christian Geyer
gehalten im großen Rathaussaale in Nürnberg
Freitag, den 12. Januar 1917

Nürnberg 1917
Verlag der Buchhandlung des Vereins für Inn. Mission Nürnberg
Ebnersgasse 10



Deutsche Männer und Frauen
      In einer bekannten satyrischen Wochenschrift war
kürzlich der Friedensengel zu sehen, der an dem einen
Ufer des Blutstroms stehend nach dem Fährmann ruft:
Hol über! Wir kennen die Antwort sehr gut, die ihm
von der anderen Seite entgegenschallt: Wir wollen dich
nicht! Während wir hier versammelt sind, wird an
der Antwot telegraphiert und gedruckt, die unsere Feinde
auf die Friedensnote Wilsons gegeben haben und die
wir schon kennen, bevor wir sie gelesen haben. In
keinem Lande hat man vor dem Kriege mehr für den
Frieden geschwärmt als in England. Natürlich ! Denn
ein für alle Zeiten aufgerichteter Weltfrieden wäre die
Verewigung der Weltherrschaft Englands gewesen. Die
Friedensschwärmer haben in der Stunde, da allen in
den Krieg verwickelten Völker ein ehrenhafter Schluß
eigener und fremder Leiden möglich gewesen wäre, ge=
rufen: wir wollen den Krieg; denn wir wollen nicht
das Deutschland existiere. Nun, Deutschland wird nicht
sterben. Das glauben wir nicht nur, sondern das wissen
wir. Und die jetzt nicht Frieden schließen wollen, wer=
den einmal Frieden schließen müssen. Es wird einmal
der Friede kommen und er wird dann erscheinen, wenn
er notwendig geworden sein wird. Der Krieg, das
haben wir immer klarer erkannt, mußte kommen, so
wie etwa ein Gewitter losbrechen muß, wenn die elektri=
schen Spannungen in der Luft einen Grad erreicht haben,
der einen friedlichen Ausgleich nicht mehr gestattet.
Aber genau ebenso wie sich ein Gewitter austobt und
der Sonne die Herrschaft übergibt, so wird auch das

Kriegsgewitter seine Zeit haben und wir trösten uns
des dennoch kommenden Friedens:

"Und dräut der Winter noch so sehr
mit trotzigen Geberden,
und streut er Schnee und Eis umher:
es muß doch Frühling werden!"

      Einmal wird die Kunde: Endlich Frieden! auf den
Schwingen der Glockentöne durch unsere Heimat ziehen.
Einmal wird nach schwerem Leiden ein um so herr=
licher Karfreitagszauber die Welt verjüngen. Einmal
wird der Tau der Tränen in strahlende Diamanten
verwandelt werden. Aber vorher müssen wir noch ein=
mal mehr und mehr als jemals zu Stahl werden. Jetzt
geht es hart auf hart. Wer das sagt, spricht nur aus,
was jedermann weiß und - was jedermann will.
      Seltsam, eben da die Losung "Stahl" ausgegeben
worden ist und während sie von Mund zu Mund und
von Seele zu Seele weitergegeben wird, ertönt der Ruf
nach dem Golde. Seltsam - und doch verständlich
für den, der das Geheimnis des Goldes kennt. Was
ist Gold? Gold ist konzentrierte Kraft. In der Welt
gibt es keinen Stoff, der sich in irgend vergleichbarer
Weise so wie dieser in alle anderen umwandeln läßt,
in Brot so gut wie in Stahl; ja nicht nur die äußeren
und roheren Kräfte sind im Gold kristallisiert, sondern
auch die geistigeren und feineren. Ohne Gold gibt es
Bibliotheken so wenig wie Kanonen, und Schulhäuser
so wenig wie Kasernen. Gold ist konzentrierte Kraft
im weitesten Umfange.
      Deutschland ist in der Vergangenheit ein armes
Land gewesen. Es ist dem Deutschen in seiner Kind=
heit und in seiner Jugend gegangen wie einem gesunden
und kernbraven Burschen, dessen einziger Fehler seine
Armut ist. Herumgeschoben, verlacht, verachtet, über
die Achsel angesehen - das war das Los des biederen

Deutschen. Nein, das war es leider nur zur einen
Hälfte. Schlimmer als alles, was ihm von anderen
geschah, war, was er aus sich selber machte: eine ge=
wisse Bedientenhaftigkeit, ein Sichkümmern um die
Meinung der reicheren Völker, oft eine wirkliche Liebe=
dienerei, genannt Ausländerei, haben unsere Vergangen=
heit bestaubt. Nur wie ein Traum huschte es durch unsere
Erinnerung, daß wir auch zum Reichtum bestimmt
seien, ja daß wir, ohne uns dessen bewußt zu sein,
reicher seien als andere. Aber der Nibelungenhort ruhte
irgendwo versenkt im Rhein! Wir sind inzwischen ins
Mannesalter eingetreten, haben gedacht und geschafft,
haben den Kopf gerührt und die Arme, und sind wirk=
lich reich geworden. Später als andere, aber doch auch.
Das Schicksal wollte es nur, daß wir zum Teil uns
selbst nur recht langsam in die neue Lage fanden. Es
ging uns wie dem bescheidenen Menschen, der sich in
dem prächtigen Gewande ziemlich unbehaglich vor=
kommt und es auch nicht immer richtig zu tragen weiß.
Wir sind bald zu bescheiden, bald - sagen wir zu
geberdenreich, um nicht zu sagen zu aufdringlich nach
der anderen Seite hin gewesen. Und das Schicksal wollte
zugleich, daß wir von den vorher reich gewordenen Völ=
kern nicht so schnell anerkannt wurden. Es ging uns
wie einem erst spät Geadelten in einer altaristokratischen
Gesellschaft. Der Krieg hat das wahrhaft Tragische
dieser Verhältnisse in einer erschütternden Weise offenbart.
     Obwohl wir bis zum Kriegsausbruch an Entgegen=
kommen, Aufmerksamkeit und Höflichkeit gegen alle
unsere Nachbarn das äußerste getan hatten, erlebten
wir es im Augenblick der Not, daß wir, die allen Freund
hatten sein wollen, keinen Freund hatten. Noch ist es
vielen ein Rätsel, warum wir in der Welt so unbeliebt
sind. Man sollte meinen, wenn nicht neben dem Fran=
zosen und Engländer sollten wir uns doch mindestens

so gut als der Russe und Italiener sehen lassen können.
Hier in Nürnberg hat Professor Hensel aus Erlangen
die Frage einmal moralisch behandelt und die Vorwürfe
des Auslands gegen uns auf die Formel gebracht, daß
wir den andern als formlos und taktlos erscheinen.
Er zeigte alsdann hinter der 'Taktlosigkeit' die
deutsche Wahrhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit und
schloß mit der Aufforderung, wir möchten nur in
unseren 'Fehlern' fortfahren, denn die Welt brauche das
sehr notwendig. Das ist alles durchaus richtig und
soll nicht vergessen werden. Aber heute dürfen wir die
nämliche Wahrheit einmal auch von der psychologischen
Seite her betrachten. Dann werden wir finden, daß
die Masse - die Masse der Völker wie die Masse in
den Völkern - dem Zauber des Reichtums erliegt.
Wer Geld hat und Geld auszugeben versteht, wird
mehr geachtet, auch wenn er, ja gerade wenn er sich
in einer gewissen Entfernung hält, als wer sich treu
und bieder unter die Leute mischt und entweder kein
Geld hat oder mit dem, das er hat, sparsam umgeht.
Dem reichen England wird alle Gewalttätigkeit ver=
ziehen und dem Deutschen nützt alles Verständnis und
alles liebevolle Eingehen auf die Eigenart fremder
Nationen nichts; denn der Zauberschein des Reichtums
umstrahlt ihn noch nicht für das Auge der Welt. Selbst
eine so merkwürdige Erscheinung wie das Sinken der
deutschen Valuta trotz allen Siegen, die uns in den
Besitz großer, fruchtbarer und reicher Länder gebracht
haben, erklärt sich zuletzt aus der Unfähigkeit des Aus=
landes unseren Reichtum zu sehen oder an ihn zu glauben.
Hier so wenig wie auf anderen Gebieten werden wir
etwas erreichen durch noch so gute und wahre Worte.
Die einzige Sprache, die die taube und durch eine ge=
schickt organisierte Presse vertaubte Welt allmählich ver=

stehen wird, ist die lebendige Tat. Jetzt ist der Augen-
blick des Handelns gekommen. Auch die konzentrierte
Kraft des Goldes muß aus den Spinden und Schränken
heraus, in denen sie der Deutsche, der so gern ärmer
erscheint als er ist, verborgen hat, und muß sich ver-
wandeln in einen Teil der Kraft, mit der wir kämpfen
und siegen. Das Gold braucht jetzt das Vaterland so
notwendig wie Eisen, Kupfer und Stahl, ja notwendiger
als jene; denn es kann jene nur um den Preis von
diesen haben. Und die Losung heißt jetzt nicht mehr:
mein Gold, sondern unser Gold. Die Goldankaufs-
stellen sind der sichtbare Ausdruck für die Wahrheit:
das Vaterland braucht unser Gold. Das Gold gehört
dem Vaterland!
      Was können wir dazu tun, daß dies gehört, ver-
standen und in die Tat umgesetzt werde? Das ist die
Frage, die uns hier zusammengeführt hat. Ich will
darauf eine kurze und bündige Antwort geben: Wir,
wir alle, die hier sind, nein, wir alle, die ein Herz fürs
Vaterland haben, wollen Kopf und Gewissen unseres
Volkes sein; das heißt wir wollen jedem, der
darauf wartet, mit unserem Beispiel vorangehen.
      Aufklärung der weitesten Volkschichten ist duchaus
notwendig, denn es handelt sich hier um Verhältnisse
und Zusammenhänge, die durchschaut sein wollen.
Durchaus nicht nur von Sachverständigen soll die Auf-
klärung ausgehen, so heilsam und so notwendig es
auch ist, daß gerade die im engeren Sinne des Wortes
Sachverständigen das Wort ergreifen, etwa in der Weise,
wie es kürzlich hier Herr Reichsbankdirektor Garten-
schläger getan hat. Es ist psychologisch ganz verständ-
lich, daß die hiesige Goldankaufstelle heute einmal
einem Nichtfachmann das Wort erteilt hat. Sie spricht

damit die elementare Wahrheit aus, daß es sich da um
Dinge handle, die jeder, der überhaupt Verstand hat,
verstehen muß. Denn es muß sich ein Strom von Auf-
klärung über unser Land ergießen bis in die weltab-
geschiedenen Dörfer hinein und jeder muß nach der
Ehre streben, des anderen Berater zu sein - um des
Vaterlandes willen.
      Warum braucht das Reich unser Gold? Zunächst
ist bei uns durch Reichsgesetz bestimmt, daß Banknoten
ausgegeben werden dürfen höchstens im dreifachen Be-
trag des im Reichsschatz niedergelegten Goldbestandes.
Der Goldschatz des Reiches beträgt zur Zeit 2 1/2 Milliarden.
Es können also 7 1/2 Milliarden Noten in Umlauf gesetzt
werden. So viel Geld haben wir. Es dürfte von
Interesse sein zu hören, daß am 31. Juli 1914 der Gold-
bestand 1450 Millionen Mark betrug, während man
sich früher jahrelang mit 600 bis 800 Millionen be-
gnügt hatte. Der Zwanzig- oder Hundertmarkschein,
mit dem wir bezahlt werden und zahlen, ist ja zunächst
ein Stück Papier, also wertlos. Durch den Aufdruck
20 Mark, 100 Mark wird jedoch das Papier umgewandelt
in eine Schuldverschreibung. Der Besitzer eines solchen
Papiers hat daran den Ausweis, daß ihm das Reich
20 Mark oder 100 Mark schuldet. Jeder Inhaber kann
unter normalen Verhältnissen in jedem Augenblick einen
solchen Schuldschein der Reichsbank vorlegen und ver-
langen, daß ihm der Betrag in Gold ausgezahlt werde.
Das heißt also: die Schuldverschreibung hat nur dann
einen Sinn und Wert, wenn der Schuldner wirklich im
Stande ist, die Schuld in jedem Zeitpunkt zu bezahlen.
Hinter dem Papiergeld, das wir jetzt so gut kennen,
muß wirklich Geld, Gold stecken. Nicht nur über-
haupt Vermögen wie hinter den Reichskassescheinen,
sondern ein flüssiges, stets zur Auszahlung bereit-
liegendes Vermögen. Aber es gilt auch umgekehrt: je

mehr flüssiges, auszahlbares Vermögen, d.h. Gold
das Reich besitzt, desto mehr Papiergeld kann das Reich
ausgeben, desto reicher, zahlungsfähiger und zwar immer
in dreifacher Steigerung ist es. Man könnte vielleicht
fragen, warum nur ein Drittel in Gold vorhanden sein muß
und nicht die ganze Summe. Darauf ist zu antworten,
daß ein Drittel genügt, um allen denkbaren Ansprüchen
zu begegnen. Denn da hohe Summen stets in Banken
untergebracht sind, die Heimzahlung nicht fordern,
ist ein Drittel des Papierwertes in Gold vollständig
genügend. In dem gleichen Verhältnis stehen auch in
anderen Ländern die Schuldverschreibungen zum Gold=
bestand. Also brauchen wir nicht mehr. Aber wir
dürfen auch nicht unter die Drittelgrenze herunter=
gehen. Denn unsere Golddeckung darf nicht schlechter
sein als die des Auslandes, sondern muß ihr eben=
bürdig sein, da sonst unser Kredit sofort sinken würde.
      Mit der Größe unseres Goldbestandes hängt auch
zusammen der Zinsfuß des geliehenen Geldes im Lande.
Sinkt der Goldbestand, so erhöht sich der Diskont. Das
Geld wird billiger, wenn viel, und es wird teurer,
wenn wenig Gold da ist.
      Dazu kommt nun aber ein Zweites. Für den
Verkehr mit dem Auslande brauchen wir in Friedens=
zeiten nicht sehr viel Gold. Denn da ist es das Be=
streben, daß die Waren, die vom Auslande eingeführt
werden, Nahrungsmittel, Rohstoffe u.s.w. bezahlt
werden durch Waren, die wir ausführen, s.z.B. Zucker,
Maschinen u.s.w. Diese Verhältnisse ändern sich im
Kriege. Wir brauchen jetzt mehr vom Ausland als
wir ihm liefern können. Trotz der Hungerpolitik
Englands ist die Einfuhr vom Ausland an Nahrungs=
mitteln, wie Vieh, Apfelsinen, an Holz, Eisenerzen und
anderen Stoffen noch bedeutend und jedenfalls größer

als unsere Ausfuhr an Kohle, Bleistiften, Maschinen
u.s.w. Dem Ausland aber müssen und wollen wir
seine Zahlung in Gold leisten, schon deswegen, weil
das Gold im Krieg und Frieden den gleichen Wert
behält, während die anderen Zahlungsmittel den
Schwankungen des Kurses unterliegen. Es ist also
einfach ein Gebot der Sparsamkeit, daß wir das Aus=
land mit Gold bezahlen. Bekanntlich sind diese Zah=
lungen so geregelt, daß ausnahmslos alles an das
Ausland durch die Reichsbank bezahlt wird, so dass
hier unlautere Machenschaften völlig ausgeschlossen sind.
     Daß wir nicht nur für das neutrale, sondern auch
für das verbündete Ausland Gold brauchen, versteht sich
dabei von selber. Unser Gold ist ebenso wie unser Heer
zugleich für unsere Verbündeten da, wie natürlich auch
umgekehrt. Dem Ausland unbegreiflich ist die Tat-
sache, daß trotz der ständig laufenden Goldausgabe
gegenüber dem Ausland der effektive Goldbestand
der Reichsbank beständig gewachsen ist. Im Ausland
will man das einfach nicht glauben, aber nach dem
Kriege werden unsere Feinde erfahren, wie verblüffend
einfach und ehrenvoll für unser Volk sich diese Er-
scheinung erklärt. Heute steht es allerdings so, daß
dieses Crescendo nur anhalten kann, wenn nicht nur
das gemünzte, sondern auch das ungemünzte Gold der
Reichsbank zugeführt wird.
      Ein dritter Gesichtspunkt ist von außerordentlicher
Wichtigkeit. So notwendig das Reich Gold braucht
um im eigenen Lande mit Noten und im Auslande
mit Metall zahlen zu können, so dringend notwendig
braucht es, d.h. brauchen wir - denn das Reich sind
ja wir selber! - Gold für kommende Friedenszeit.
Denn die Überleitung der Geschäfte aus der Kriegs-
wirtschaft in die Friedenswirtschaft wird sich nur all-
mählich vollziehen. Nehmen wir an, es wäre Frieden.

Dann müßten wir aus dem Ausland die geleerten Vorrats=
kammern gefüllt und die für unsere Industrie not=
wendigen Rohstoffe in gewaltigen Massen eingeführt
werden. Man erinnere sich, daß wir im Jahre 1913
allein an Baumwolle für 630 Millionen Mark ein=
geführt haben. Welche ganz andere Summen werden
sich nach dem Krieg ergeben, da es sich dann nicht nur
um den Jahresbedarf, sondern um die Auffüllung aller
Vorräte von Grundauf handeln wird! Es wäre aber
zunächst nicht daran zu denken, daß wir etwa auch sofort
das Ausland wieder mit verarbeiteten Rohstoffen,
also mit Industrieerzeugnissen bezahlen könnten.
Bis der Friedensstil wieder erreicht ist, werden nach
schätzungsweiser Berechnung mindestens zwei Jahre
nach dem beendigten Krieg vergehen. Nichts wäre
verhängnisvoller, als wenn wir uns an den Tisch der
Friedensverhandlungen mit leerer Börse setzen müßten.
Ohne Gold wären wir trotz allen Siegen ohne Macht
und in einer geradezu verzweifelten Lage. Dann hilft
uns das Gold, das in den Sakristeien der Kirchen
oder in den Schmuckkisten der Familien oder in den
Schatzkammern der Fürsten aufbewahrt wird, nichts,
sondern einzig und allein das aus der Gefangenschaft
befreite und dem Vaterlande überlassene.
      Die Aufklärungsarbeit, die wir alle zu leisten
haben, denke ich mir so, daß wir uns diese einfachen
Gedankengänge einprägen und bei jeder Gelegenheit
die zu unterrichten suchen, die es einfach nicht oder
noch nicht wissen, daß der Krieg nicht nur mit
Eisen, Stahl und Kupfer, sondern auch, ja zu aller-
meist mit Gold geführt wird. Um Geld in der Heimat
für die Kriegsausgaben, um Geld für die Zahlungen
an das Ausland und um Geld für die beginnende
Friedenszeit zu haben, braucht das Vaterland unser
Gold. Die bekannte Frage "Was braucht man zum

Kriegführen?" hat der Marschall Trivulzio bekanntlich
beantwortet: "Dreierlei: Geld, Geld und nochmal Geld";
aber die Antwort ist nicht ganz richtig. Geld genügt
durchaus nicht, es muß Gold sein.
      Zur notwendigen Aufklärungsarbeit gehört aber
auch, daß wir die Einwände beantworten, die - es
sind immer die nämlichen - vorgebracht werden.
Mancher wundert sich, daß die Goldankaufstellen
Schmucksachen zum Einschmelzen übernehmen und da=
für den Goldwert ausbezahlen und daß gleichzeitig
andere Schmucksachen durch die Juweliere neu in den
Handel gebracht werden. Dies ist in der Tat ein ge=
wisser Widerspruch, der sich aber daraus erklärt, daß
der Staat eben nicht mit einem Schlage, indem er
etwa das bei Juwelieren, Zahnärzten, Goldschlägern
und Vergoldern vorrätige verarbeitete oder noch zu
verarbeitende Gold übernimmt, eine ganze Kategorie
von Gewerbetreibenden schädigen oder gar zur Ein=
stellung ihres Betriebes nötigen will. Das Reich soll
leben, aber die einzelnen Reichsbürger sollen nicht
wirtschaftlich zugrunde gerichtet werden. Da hilf man
sich eben mit einem Kompromiß. Kürzlich sagte ein
wackerer Mitbürger: Wenn ich ein reicher Mann wäre,
dann würde ich dem Juwelier seine Ware abkaufen
und sie nach dem reinen Goldwert der Goldankaufs-
stelle überlassen, so wäre am besten geholfen. Immer=
hin darf gesagt werden, daß es sich hier um keine allzu
großen Werte handelt, zumal da natürlich nur die
alten Bestände aufgebracht werden dürfen, den Juwe=
lieren aber kein neues Gold überlassen wird. Die
Meinung, als ob das dem Reich überlassene Gold in
die Werkstätten und Schaufenster der Juweliere zurück=
fließe, ist durchaus irrig. Davon kann nur in ganz
geringem Umfange zur Aufrechterhaltung der Gold=
industrie in Pforzheim und Hanau etwa die Rede sein.

Oder es sagt jemand: ich habe eben nicht einfaches
Gold, das man einschmelzen kann, sondern Pretiosen.
Dem ist zu sagen, daß dem Reich mit Petriosen genau
ebenso gedient ist wie mit Gold. Denn im Ausland
besteht für Kostbarkeiten infolge der großen Kriegs-
gewinne ein sehr aufnahmefähiger Markt z.B. in
Stockholm, Antwerpen und Basel. Solche Pretiosen
kann das Reich neben dem Gold als Zahlungsmittel
verwenden. Heute morgen habe ich eine Zuschrift er-
halten, es sollte doch auch an eine Silbersammlung
gedacht werden, da der Mittelstand reicher an Silber
sei, auch an solchem, von dem man sich leichten Herzens
trenne wie z.B. an Jugendstilsachen, als an Gold.
Diese Silbersammlung wird vielleicht auch noch kommen,
wie wahrscheinlich auch der Umtausch der Eheringe
gegen eiserne Reife für einen besonders wichtigen Zweck,
etwa den Invalidendank, noch ermöglicht werden wird.
Wir müssen auch da, wie überall im Leben, eines nach
dem anderen tun und Pfeil um Pfeil aus unserem
Köcher nehmen. Erst das Kupfer, dann das Gold,
dann das Silber und zuletzt die Eheringe. So mag
man sich etwa den Opferweg der Zukunft vorstellen.
Das Silber würde das Reich übrigens nur zur Er=
gänzung der vielfach aus dem Inlandsverkehr ver=
schwundenen Scheidemünzen, nicht aber für den inter=
nationalen Geldverkehr nötig haben.
      Der Kunstwert mancher im Privatbesitz verwahrter
Goldsachen wird gegen die Veräußerung angeführt. Hier
gibt es zwei Standpunkte. Gewiß ist es nicht wünschens=
wert, daß Kunstwerke eingeschmolzen werden. Das
geschieht auch nicht. Die Goldankaufsstellen stehen
stets mit Sachverständigen in Verbindung und haben
selber ein Interesse daran, daß nicht künstlerische Werte
vernichtet werden. Das ist der eine Standpunkt.
Es ist aber auch sehr gut denkbar, daß jemand sagt,

in einer Zeit, wo Tausende das Leben, nicht nur
das eigene - das ist noch das leichtere - sondern
das Leben ihrer liebsten Angehörigen opfern, ist es
wirklich nicht hochherzig, sich hin und her zu besinnen,
ob man sich von einer schönen Uhr oder Kette oder
Orden oder Pokal trennen soll oder nicht. "Alles soll
untergehn, nur Deutschland, unser Kinder- und Vater-
land muß bestehen." Wenn dieses "Alles" das Leben
in sich schießt, dann mag es vorher vieles, vieles
andere umfassen. Schließlich ist das Leben wichtiger
auch als ein Kunstgegenstand!
      Der am öftesten gehörte Einwand weist auf den
Pietätswert der in den Familien veerbten Schmuck=
stücke hin. Aus Pietät gegen die Verstorbenen oder
vielleicht auch Lebenden dürfe man diese an sie er=
innernden Goldsachen, Ringe, Ketten, Brochen oder
was es sei, nicht dem Vaterlande überlassen, das sie
braucht! Das ist kein Standpunkt! Denn wenn die
Personen, an die wir denken, unserer Pietät wert sind,
dann dürfen wir ihre Zustimmung zu unserem Opfer
als etwas Selbstverständliches voraussetzen. Sind wir
aber im Zweifel, wie sie sich wohl selbst verhalten
würden, wenn sie an unserer Stelle wären, dann gibt
es doch nur eine Wahl: Wir ehren die Toten nur,
indem wir uns selbst ehren. Ist es Pietät, so groß
zu handeln wie die Toten, so ist es erst recht Pietät,
wenn wir größer als sie handeln. Nein, wir wollen
dankbar sein, daß wir einmal Gelegenheit
haben, vererbtes Gut würdig zu verwenden und zu
heiligen, indem wir es opfern. Der Pietätswert der
Vergangenheit geht nicht nur von der alten goldenen
Kette auf die neue eiserne über, sondern wir schaffen
durch diesen Umtausch erst für die kommenden Ge-
schlechter einen wahren Pietätswert. Man frage sich
doch einfach, was in hundert oder zweihundert Jahren

wertvoller ist, die Goldkette, die von dem Besitz, oder
die Eisenkette, die von dem Opfer vergangener Ge-
schlechter Kunde gibt. Darüber kann gar kein Zweifel
bestehen und die Berufung auf die Pietät ist entweder
Irrtum oder Ausrede.
      Nein, es muß dahin kommen, daß es als eine
Selbstverunreinigung empfunden wird, wenn jemand
seinen Goldschmuck über die Kriegszeit hinaus rettet.
Das Wort "Eigentum ist Diebstahl" wird in dem
Augenblick eine hehre Wahrheit, wo das Vaterland
spricht: Ich brauche dein Gold!
      Wir werden ganz von selbst, indem wir der Kopf
unseres Volkes werden, auch sein Gewissen. Wer in
Torheit handelt, den mag man belächeln und dem
kann man verzeihen. Wer aber wissend zur Seite
schleicht, wenn ein Opfer und dazu eines, das noch
kaum diesen Namen beanspruchen kann, - denn das
Reich bezahlt den vollen Goldwert für die ihm über-
lassenen Gegenstände - gefordert wird, der versündigt
sich - er sei, wer er sei - am Vaterland.
      Aber wichtiger als alles, was wir sagen, ist die
lebendige Rede unserer Tat. Nicht das Geschrei der
Wildente, sondern ihr Aufstieg bringt auch die anderen
dazu, sich zu erheben. Wahrhaftig, wir können den
ängstlichen Gemütern versichern, es tut nicht weh. Ihr
dürft ruhig in euer Geheimfach greifen und euer unge-
münztes Gold den nämlichen Weg gehen heißen, den
längst - hoffentlich - das gemünzte gegangen ist.
Wie könnte uns weh tun, was dem Vaterland nötig
und heilsam ist!
     Der Krieg hat uns viele Überraschungen erbracht.
Die letzte und größte erleben wir jetzt, daß der Krieg
ebenso von den Menschen der Heimat wie von den
Soldaten an der Front geführt wird. Ja, es steht jetzt
schon so, daß wir wissen, unsere braven Soldaten bürgen

uns für den Sieg, und nur noch von dem Zweifel
geschüttelt werden, ob unsere Bauern, Kaufleute, Haus=
väter, Hausfrauen nicht durch Torheit und Gewissen=
losigkeit verderben, was das Schwert gut gemacht hat.
Wir sind in die Zeit des letzten Aufgebots gekommen.
Sie erinnern sich an das Gefreggersche Bild mit den
alten Bauern, die mit Flinte und Sense in den Kampf
für die Heimat ziehen, deren Züge wir nicht sehen können,
ohne zu wissen: Die werden es schaffen. Das letzte
Aufgebot, das ist ein weites Herz und ein enges Ge-
wissen. Ein Herz, das nicht an sich, auch nicht an die
Familie, auch nicht an die Vorfahren nur denkt, sondern
an die Brüder, an das deutsche Land, an das deutsche Volk.
Und ein enges Gewissen verschmäht es, sich das Leben
behaglich zu erhalten, während andere die schweren Lasten
tragen mögen. Das letzte Aufgebot, das ergeht nicht
nur an diesen und jenen, sondern an jeden. Im Feld
steht als einer der ältesten Soldaten der Leipziger Pro-
fessor Gregory, der eben seinen 70. Geburtstag gefeiert
hat. Als ihn draußen jemand verwundert fragte, warum
er als alter Knabe mit ausgerückt sei, da antwortete er:
"Ein Einzelner kann nur wenig tun. Aber ich möchte
meinen Zentimeter schieben!" So bescheiden das Wort
ist, für uns ist es noch zu stolz. Nicht ein Zentimeter,
höchstens ein Milimeter können wir schieben. Aber
darin wollen wir uns bestärken und dazu uns ver-
bünden, daß jeder entschlossen spreche: Ich will mein
Milimeter schieben! U n s e r   G o l d   g e h ö r t   d e m  
V a t e r l a n d !


© Horst Decker