Nachlass 'Anni Hasslauer'

Brief geschrieben am 11. September 1946 von heimgekehrtem Kriegsgefangenen, Thema Wohnungsnot

Der aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrte Otto Schramm findet keine Wohnung, denn in seinem Elternhaus wurde seine Schwägerin samt Kind und Eltern, sowie eine Schwester und eine alte Frau aufgenommen und eine Flüchtlingsfrau mit 3 Kindern zwangseinquartiert.

Grossauheim, den 11.Sept.1946
Taunusstr. 63

An den
Herrn Bürgermeister
zur Vorlage in der
Gemeindevertretersitzung
Grossauheim


Betrifft: Freigabe eines beschlagnahmten Schlafzimmers.

Von meinen Eltern wurde das Wohnungsamt bereits vor einigen
Monaten gebeten, mein Zimmer mit Bett, welches für eine
Flüchtlingsfrau beschlagnahmt ist, wieder freizugeben, da
ich bald aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehren würde.

Als ich nun vor 4 Wochen in der Heimat ankam, war noch nichts
geschehen. Ich ging sofort zum Wohnungsamt, da ich
nicht wusste, wo ich schlafen sollte. Nachdem ich mehrmals
vertröstet wurde, ohne dass etwas geschah, wandten sich mein
Vater und ich vor ca. 14 Tagen schriftlich an das Wohnungsamt
und den Herrn Bürgermeister mit der gleichen Bitte. Darauf
wurden mir bis heute aber auch nur einige Vertröstungen zuteil,
sodass ich auch heute, nachdem ich nun schon über 4 Wochen
wieder in der Heimat bin, immernoch nicht weiss, wo ich schlafen
soll.

In unserer Wohnung befinden sich nämlich ausser meinen Eltern,
meine Schwägerin mit einem kleinen Kinde, ihre beiden Eltern,
eine Schwester und eine alte Frau von 86 Jahren, noch eine
Flüchtlingsfrau mit drei Kindern.

Aus diesen Angaben können Sie ersehen, dass mir jetzt nur noch
dieser Weg bleibt, um endlich mal wieder in mein Bett zu kommen
und ich bitte Sie, nun doch dafür zu sorgen, dass mein Zimmer
sofort freigemacht wird.

Hochachtungsvoll!
O.S.

© Horst Decker


Ausführliche Beschreibungen der Lebenssituation
in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg finden Sie
in der Biografie 'Draußen ist Freiheit' von Nandinda