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Wörtliche Wiedergabe eines Aufsatzes (Titelgeschichte) des evangelischen Gemeindeblattes 'Heimatglocken' vom Mai 1934

(die hier fett geschriebenen Worte sind im Originaltext 'gesperrt' hervorgehoben.)

Die Rolle der christlichen Kirchen im Dritten Reich ist vielfach unerklärt und durchaus zwiespältig.
Das war sie allerdings immer. Betrachtet man, dass seit ewigen Zeiten Waffen der Kriegsgegner gleicher Konfessíonen von Geistlichen gleicher Konfession geweiht werden und den jeweiligen Gegnern von ihren Kirchenvertretern der Beistand und Schutz des selben Gottes erbeten wird, um den Glaubensbruder mit identisch ausgestattetem Schutz des selben Gottes zu vernichten. Diesen Widerspruch kann man nicht auflösen, es sei denn, man unterstellt den Kirchen, regelmäßig die bestehenden politischen Verhältnisse akzeptiert zu haben, um sich so einer Auseinandersetzung mit der Macht der Politik und den für sie daraus drohenden Konsequenzen zu entziehen. Das gilt hier auch, obwohl die Evangelische Kirche am 31. Mai 1934 mit seiner 'Barmer Theologischen Erklärung' einen deutlichen Trennungsstrich zwischen den Aufgaben der Kirche und den Ansprüchen des Staates zog, denn die Realität sah vor Ort anders aus. Betrachtet man den Text seitens des damaligen Zeitgeistes, so bedeutet die harrsche Stellungnahme gegen die Kommunisten und die Herausstellung einer immer stattgefunden habenden Bekämpfung desselben, automatisch eine entschiedene Befürwortung des Nationalsozialismus; sicher, um sich bei den Entscheidungsträgern des 3. Reiches anzubiedern.
Einen deutlichen Hinweis darauf gibt der Verfasser am Ende seines Textes, in dem er als Garant der Untersützung des Aufstiegs Hitlers durch die evangelische Kirche darauf verweist, dass Horst Wessel, Urheber der nach ihm benannten Hymne der NSDAP, Pfarrerssohn war.
Über Horst Wessels 'christliche Gesinnung und Motivation' ist allerdings nicht viel bekannt, jedoch, dass er sich in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg bis zu seiner Ermordung am 23. Februar 1932 als Zuhälter durchschlug.

ab hier der Original-Text

Hat die Evangelische Kirche im Kampf gegen
den Kommunismus versagt?

     Man hört jetzt häufig. - gelesen habe ich es noch nicht, - daß die Kirche, insbesondere ihrer Pfarrerschaft im Kampf um den Bestand des Vaterlandes in den schweren Erschütterungen durch den Kommunismus versagt habe. Dazu wäre zunächst zu sagen, - was jeder Verständige zugeben wird, - daß die Kirche und ihre Diener nicht in der Art und Form einer SA kämpfen konnten. Wie aber der Geisteskampf mit großer Entschlossenheit geführt wurde und auch blutige Opfer seitens des Pfarrerstandes gebracht worden sind, das ist zu wenig bekannt geworden. Man würde auch jetzt nicht laut davon reden, wenn eben nicht das oben bezeichnete Schlagwort umginge, wonach die Kirche im Kampf mit dem Kommunismus so ungefähr auf der ganzen Linie versagt habe. - Da ist vor allem Mitteldeutschland zu nennen, das früher fast so zu nennende 'rote Herz Deutschlands'.

      Neulich war die Gedächtnisfeier für Pfarrer Niehus-Burgliebenau, der von kommunistischen Banden vor 14 Jahren in bestialischer Weise hingemordet wurde; unter dem überwältigenden Eindruck der Feier reifte der Plan, den Anteil der evangelischen Kirche am Abwehrkampf gegen den Kommunismus, wie er in den Jahren der Nachkriegszeit geführt worden ist, im größeren Zusammenhang darzustellen. Wir halten dieses Bestreben, dessen Träger der vom Evangelisch-sozialen Preßverband für die Provinz Sachsens herausgegebene 'Evangelische Beobachter' ist, für eine Sache von großer, ja entscheidender Bedeutung, denn nur auf diesem Wege wird es gelingen, den immer wieder erhobenen Vorwurf, die evangelische Kirche habe im Kampf gegen den Kommunismus versagt, zu entkräften. Tatsache ist nämlich viel mehr, daß überall da, wo roter Terror gewütet hat, evangelische Pfarrer und Gemeinden ihre Pflicht getan haben und auf dem Posten gewesen sind.

      Einzelheiten über den Tod von Pfarrer Niehus sind in einem Bericht enthalten, den seine Witwe zur Verfügung stellt. Darin heißt es: 'Bei dem Aufstand sammelte sich das Volk der ganzen Umgebung von Halle und Leipzig in Ammendorf, der kommunistischen Zentrale. Als schon der Aufstand tobte, sollte die Beerdigung eines in der Elster ertrunkenen Knaben in Döllnitz stattfinden. Der Vater des Knaben, ein Arbeiter, kam extra noch einmal nach Burgliebenau, um meinen Mann zu bitten, doch die Beerdigung vorzunehmen, - es sei wieder alles ruhig im Ort. Vielleicht waren aber bei der Beerdigung doch Elemente zugegen, welche der Anblick eines Geistlichen im Amtskleid reizte. Als mein Mann am anderern Vormittag eine Konfirmandin in Döllnitz aufsuchte, trat ein bewaffneter Posten an ihn heran mit dem Auftrage, ihn zu verhaften. Die Mutter der Konfirmandin verstand es aber, meinen Mann aus einer Seitentür ins Freie zu lassen. Eilends kam er nun zu mir nach Burgliebenau, berichtete den Vorfall und machte sich mit unserem Pflegesohn auf, um zu fliehen. Auf dem Weg nach Halle zu, in der Elsteraue, wurden sie verfolgt und festgenommen. In Lochau mußte mein Mann mit einer ganzen Horde einen Leiterwagen besteigen und wurde sehr beschimpft, auch in den Rücken gestoßen mit den Worten: 'Bist du Christus, so hilf dir selber!' Darauf gab er nur die ruhige Antwort: 'Ihr wißt nicht, was ihr redet!' In Ammendorf angekommen, sind sie über meinen Mann hergefallen und haben ihn schrecklich behandelt, bis er blutend am Boden lag. In der Kegelbahn im Gasthaus wurde er dann bewacht als Gefangener. Unter dem Vorwand, zu einem Verhör gebracht zu werden, mußte er schließlich drei bewaffneten Leuten folgen. Nach wenigen Schritten sagten sie ihm schon: 'Jetzt ist deine letzte Stunde gekommen.' Darauf gab ihnen mein Mann seine Brieftasche und die goldene Uhr mit dem Auftrage, die Sachen an mich abzuliefern, und mit den Worten: 'Gott wird euch strafen !' Aber das rührte sie nicht. Zuletzt bat mein Mann noch beten zu dürfen, und seine letzten Worte waren: 'Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!'

     Ein anderes Opfer der Kommunisten ist Pfarrer Müller-Großosterhausen, Kreis Querfurt, der zu Ostern 1921 aus der Kirche herausgeholt und fortgeschafft wurde, und dann infolge einer durch einen Schuß verursachten Wunde gestorben ist. - In jenen Jahren ist es vorgekommen, daß in Gruppen von Konfirmanden, die auf dem Weg zur Kirche waren, wo sie eingesegnet werden sollten, geschossen wurde. In Halle trägt die geschichtlich berühmte Marktkirche noch heute die Spuren von Kugeleinschlägen, die an die Straßenkämpfe der Jahre 1920 und folgende erinnern. - Hingewiesen sei hier auch darauf, daß in den Reihen der Zeitfreiwilligen-Bataillone, die im Abwehrkampf gegen Kommunismus eingesetzt wurden, zahlreiche Söhne von Pfarrern und andere treue evangelische Gemeindemitglieder gewesen sind. Auch von ihnen hat mehr als einer seine Treue zu Volk und Vaterland mit dem Leben bezahlt. Von niemanden freilich sind viele Worte über diese Dinge gemacht worden, weil Pflichterfüllung im preußischen und deutschen Sinne als eine Sache angesehen wurde, die sich von selbst versteht.

     Hinzuweisen wäre schließlich darauf, daß die Lebensarbeit manches mitteldeutschen Pfarrers, der in den Jahren der Nachkriegszeit im Pfarramt gestanden hat, ein stilles Heldentum gewesen ist. Sie haben alle ihren Dienst getan, sonntäglich gepredigt und in der Woche Konfirmandenstunden gehalten und Gemeindebesuche gemacht usw., ohne daß man es ihnen in den Gemeinden gedankt hätte. Gleichgültigkeit und offene Feindschaft machten jedem einzelnen, der sich zu seiner Kirche hielt, das Leben schwer. Noch im vorigen Jahre war es möglich, daß dem Pfarrer in einer Industriegemeinde in der Nähe von Weißenfels ein Zettel in den Briefkasten gesteckt wurde, auf dem stand: 'Verfluchter Pfaffe, wenn du dich nicht bald fortmachst, wirst du an einer Linde baumeln!' Solche Vorkommnisse sind bezeichnend für den 'Geist', der in den Gemeinden lebendig war und naturgemäß jede gesegnete pfarramtliche Tätigkeit auf das äußerste erschwerte. - Trotzdem hat es nicht an Pfarrern gefehlt, die in die Massenversammlungen der Marxisten gegangen sind, um zu ihnen in der Aussprache zu reden. Mehr als einmal hat sich der berüchtigte 'Zehn-Gebote-Hoffmann' einem Pfarrer als Diskussionsredner gegenüber gesehen. Gewiß: es ist dadurch vielleicht, auf das Ganze gesehen, äußerlich nicht allzuviel erreicht worden. An tatkräftigen Versuchen hat es bestimmt nicht gefehlt. -
Auch im deutschen Westen, im Industriegebiet, ist im Ruhrkampf mancher junge Theologiestudent und mancher Pfarrerssohn in den Reihen der Kämpfer gegen roten Umsturz und Separatismus gewesen. - Wir dürfen auch darauf hinweisen, daß gerade in unserer Gegend z.B. in Frankfurt, dem Kommunismus von Seiten der Kirche nicht untätig zugesehen wurde.
Ich brauche für unsere Frankfurter Leser nur den Namen Probst zu nennen, und man wird sich daran erinnern, mit welch leidenschaftlichem Eifer dieser Mann in Jahren, wo das wahrhaftig weder einfach noch dankbar war, dem Marxismus entgegentrat und ihn schlug, wo er ihn traf. Ich glaube, was er in jenen Jahren erlebt hat, das allein würde ein ganzes Buch füllen. - Vor der Seele dessen, der dies schreibt, steht sehr klar die Erinnerung an einen Abend in einer Turnhalle 1928 nicht weit vom Frankfurter Flugplatz; die große Halle war gefüllt mit einem Publikum, das großen Teils aus Kommunisten bestand. Auch die 'roten Frontkämpfer' in ihren aufreizend knalligen Uniformen waren da. Eine kommunistische Stadtverordnetet redete über den §218, über Schwangerschaftsunterbrechung u. dgl. in einer unbeschreiblich gemeinen und schmutzigen Weise. In der Aussprache traten wir, (ein kleiner Kreis, der vorher zu einer Gebetsgemeinschaft zusammen gewesen war), ihr entgegen; wenn man das Wort 'Jesus' aussprach oder gar 'Kirche', erhob sich jedes Mal ein Wutgeheul. Schließlich verursachte man, um uns Soldaten Probst's mundtot zu machen, einen Tumult, aus dem dann immer wuchtiger die Internationale herausklang. Da, ein Zeichen: und mit noch größerer Wucht klang das Lutherlied auf. Man glaubte, die Decke des Saales müßte bersten, so dröhnte das gegen einander, - und auf 'unserer' Seite sang manches alte Mütterchen, das in den Händen fest das Gesangbuch hielt, denn sie gehörte zu uns und hatten gewußt, daß wir an diesem Abend wieder einmal 'eingesetzt' wurden! Schließlich siegte das kraftvolle 'Eine fest Burg ist unser Gott' und ein großer Teil der Kommunisten zog ab. Als wir dann heimgingen, wurden plötzlich vor der Turnhalle die Laternen gelöscht, und im Dunkeln wurden dann zunächst gerade ein paar von den Müttern, die sich kraftvoll bekannt hatten, niedergeschlagen. Christliche Pfadfinder hieben sie wieder heraus und setzten den nunmehr flüchtenden roten 'Helden' nach und übergaben sie der Polizei. Unter einem Steinhagel, der aus den dunklen Gärten am Wege kam, gingen wir heimwärts. - Gewiß, man kann schließlich sagen: was war das viel? Das Eine aber ist sicher, daß die Kirche die Waffe, die ihr zum Gebote steht: das Wort, gebraucht hat im Abwehrkampf gegen den Kommunismus. Zu einer Art des Kampfes hatte sie, glauben wir, keine Berufung, jedenfalls aufs Ganze gesehen.

     Ein Letztes noch: es weiß scheinbar kaum jemand, daß jener Märtyrer, zu dem sich heute das ganze deutsche Volk bekennt, weil er an das Dritte Reich glaubte und durch seinen Tod das Kommen des Reiches vorbereitete, ein evangelischer Pfarrerssohn gewesen ist, der nicht zuletzt aus seinem evangelischen Glauben die Kraft nahm, die er für sein Kämpfen und Leiden brauchte. Horst Wessel ist vielleicht der schlagenste Beweis dafür, daß die evangelische Kirche im Kampf gegen den Kommunismus doch nicht so ganz versagt hat, wie mancher das behauptet hat, der offenbar schlecht unterrichtet war.
          K.


© Horst Decker



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